Twitter wirft Donald Trump raus – für immer | NZZ (2024)

Das persönliche Twitter-Konto von Donald Trump, über das er in den vergangenen vier Jahren als amerikanischer Präsident offiziöse Botschaften und absurde Lügen verbreitete, ist Geschichte. Trump hatte einmal selbst eingeräumt: «Ohne die Tweets wäre ich nicht hier».

Renzo Ruf, Washington

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Twitter wirft Donald Trump raus – für immer | NZZ (1)

Nach zwölf Jahren ist endgültig Schluss mit @realdonaldtrump. Der Kurznachrichtendienst Twitter hat am Freitag das persönliche Konto von Donald Trump, auf dem er seit Mai 2009 mehr als 56500 Tweets veröffentlicht hatte, permanent gelöscht.

Die Begründung: Das Risiko bestehe, dass der amerikanische Präsident, der zuletzt auf Twitter gegen 89 Millionen Anhängerinnen und Anhänger («Followers») besass, nach den Vorfällen der vergangenen Tage erneut «zur Gewalt anstifte».

After close review of recent Tweets from the @realDonaldTrump account and the context around them we have permanently suspended the account due to the risk of further incitement of violence.https://t.co/CBpE1I6j8Y

— Twitter Safety (@TwitterSafety) January 8, 2021

Auf dem Twitter-Blog veröffentlichte das Internetunternehmen am Freitag eine Erklärung für den aussergewöhnlichen Schritt. Demnach macht Twitter zwei Stellungnahmen des abgewählten amerikanischen Präsidenten dafür verantwortlich, die dieser gleichentags publiziert hatte. Zuerst hatte Trump fälschlicherweise behauptet, dass 75 Millionen «grossartige amerikanische Patrioten» bei der Präsidentschaftswahl für ihn gestimmt hätten – in Wahrheit waren es 74,2 Millionen. Und diese Wähler, sagte Trump, dürften weder «geringgeschätzt» noch «unfair behandelt» werden, egal in welcher Form.

Ausserdem kündigte der amerikanische Präsident an, dass er nicht an der Amtseinführung seines Nachfolgers Joe Biden, dessen Namen er nicht nannte, teilnehmen werde. Twitter schrieb dazu: «Unsere Einschätzung ist es, dass diese beiden Tweets wahrscheinlich andere dazu inspirieren werden, gewalttätige Handlungen wie die vom 6. Januar 2021 zu wiederholen». Dabei handle es sich nur um eine Behauptung, heisst es auf dem Blog des Unternehmens; Twitter habe mehrere Indikatoren dafür, dass die Tweets des Präsidenten als Aufforderung zur Gewalt verstanden werden könnten – findet doch auch die Amtseinführung Bidens auf dem Gelände des Capitols statt, dem Ort gewalttätiger Ausschreitungen am vergangenen Mittwoch, bei denen fünf Personen ums Leben kamen.

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Trump twittert weiter – vom offiziellen Konto des Präsidenten

Trump reagierte empört auf diese Entscheidung. Auf dem offiziellen Konto @POTUS – der amerikanischen Abkürzung für «President of the United States» – schrieb er unter anderem: «Wie ich schon lange sage, versucht Twitter immer stärker, die freie Meinungsäusserung zu unterdrücken.» Die Entscheidung des Unternehmens, sein Konto zu löschen, sei angeblich in Absprache mit der Demokratischen Partei und der «radikalen Linken» gefallen, behauptete Trump weiter.

Weil er und seine Anhänger sich aber nicht das Maul verbieten liessen, spiele er mit dem Gedanken, eine neue Plattform ins Leben zu rufen. «Stay tuned!», schrieb er. Kurz darauf waren auch diese Tweets verschwunden – ebenfalls gelöscht durch Twitter. Später entfernte das Internetunternehmen auch das offizielle Wahlkampfkonto Trumps (@TeamTrump). Der abgewählte Präsident hatte zuvor versucht, die Stellungnahme, die er über das Präsidentschaftskonto @POTUS verbreitete, dort erneut zu veröffentlichen.

The president tweeted this from the @POTUS account but the tweets have already been taken down by Twitter. pic.twitter.com/pRqpFw8hYY

— Yashar Ali (@yashar) January 9, 2021

«Mao wäre stolz»

Trump hatte Vertrauten laut einem Bericht der «New York Times» wiederholt gesagt, dass ihn die sozialen Medien niemals verbannen würden. Die Löschaktion kam in ihrer Radikalität überraschend – obwohl Twitter in den vergangenen Tagen nach einer Reihe von umstrittenen Tweets bereits mit «permanenter Suspendierung» gedroht hatte. Immerhin handelt es sich bei Trump um den rechtmässigen Präsidenten Amerikas und bei Twitter um seinen bevorzugten Kommunikationskanal.

In den vergangenen vier Jahren war das Twitter-Konto, über das Trump mehr als 88 Millionen Menschen erreichte, häufig der zuverlässigste Weg, um Auskunft über die Gemütslage und seine Pläne zu bekommen. Elisabeth Bumiller, die Chefin des Hauptstadtbüros der «New York Times», räumte vor einigen Jahren im Gespräch ein, dass einer ihrer Journalisten das Konto des Präsidenten immer im Auge habe, um nichts zu verpassen. Trump selbst hatte in einem Interview mit der «Financial Times» eingeräumt, dass er es ohne Twitter nicht ins Amt des Präsidenten geschafft hätte: «Ohne die Tweets wäre ich nicht hier».

Sprachrohre des konservativen Amerikas reagierten empört auf das Vorgehen des Internetunternehmens. So sagte Tucker Carlson, Moderator eines stark beachteten Programms auf dem Nachrichtensender Fox News, die Entscheidung von Twitter werde zu mehr Extremismus führen, sie läute das Ende der Meinungsfreiheit ein. Der älteste Sohn des Präsidenten, Donald Trump junior, der wohl eigene politische Ambitionen hegt, verwies darauf, dass Twitter zwar gegen seinen Vater vorgehe, aber nicht gegen Diktatoren. «Mao wäre stolz», kommentierte Trump junior – auf Twitter.

So the ayatollah, and numerous other dictatorial regimes can have Twitter accounts with no issue despite threatening genocide to entire countries and killing hom*osexuals etc... but The President of the United States should be permanently suspended.

Mao would be proud.

— Donald Trump Jr. (@DonaldJTrumpJr) January 9, 2021

Ins selbe Horn blies Lindsey Graham, Senator aus South Carolina, und lange Zeit ein Vertrauter Trumps. Er finde es falsch, dass der Ayatollah Ali Khamenei tweeten könne, aber Trump nicht. Einmal mehr forderte der Republikaner deshalb die Abschaffung eines Gesetzes, das Internetunternehmen vor Verleumdungsklagen schützt.

I’m more determined than ever to strip Section 230 protections from Big Tech (Twitter) that let them be immune from lawsuits.

— Lindsey Graham (@LindseyGrahamSC) January 9, 2021

Das Twitter-Konto von Ali Khamenei ist zugänglich. Doch kurz nach dem obersten Tweet des iranischen Revolutionsführers befindet sich eine Nachricht, die Twitter gelöscht hat, weil sie gegen die Regeln des sozialen Netzwerks verstosse.

Kein Megafon für Aufstachelung zur Gewalt

Langjährige Kritiker des Präsidenten in Washington zeigten sich hingegen zufrieden. «Kein Privatunternehmen ist verpflichtet dazu, ein Megafon für arglistige Kampagnen zu bieten, die zur Gewalt aufstacheln», schrieb der Senator Richard Blumenthal. Der Demokrat zeigte sich auch zufrieden darüber, dass Trump provisorisch von Facebook und Instagram verbannt worden sei. Doch dies allein genüge noch nicht. «Die Frage ist nicht, warum Facebook und Twitter gehandelt haben, sondern warum das so lange gedauert hat. Und warum haben andere nicht nachgezogen?»

The question isn’t why Facebook & Twitter acted, it’s what took so long & why haven’t others?

— Richard Blumenthal (@SenBlumenthal) January 9, 2021

Social-Media-App Parler nicht mehr bei Google erhältlich

(dpa) Der Internetkonzern Google bietet vorerst die in rechten Kreisen verbreitete Social-Media-App Parler nicht mehr zum Download an. Die Richtlinien von Google verlangten, dass Apps mit nutzergenerierten Inhalten über eigene Richtlinien verfügten, um «ungeheuerliche Inhalte wie Beiträge, die zu Gewalt aufrufen, (zu) entfernen», teilte ein Sprecher von Google am Freitagabend (Ortszeit) auf Anfrage mit. Auf Parler würden weiterhin Beiträge gepostet, die darauf abzielten, zu Gewalt in den USA anzustacheln. Angesichts der anhaltenden und akuten Bedrohung der öffentlichen Sicherheit werde Parler nicht mehr bei Google Play verfügbar sein, bis diese Probleme behoben seien.

Parler beschreibt sich selbst als «unvoreingenommenes» Medium, das die Redefreiheit unterstützt und sich auf den Schutz der Rechte der Nutzer konzentriert. Es ist unter Unterstützern des abgewählten Präsidenten Donald Trump verbreitet und gewann im Zuge der Wahlen an Popularität hinzu. Laut amerikanischen Medienberichten wurden die gewalttätigen Proteste von Trump-Anhängern am Mittwoch, die in der Erstürmung des Capitols in Washington gipfelten, massgeblich über Apps wie Parler organisiert.

Personen in Trumps Umfeld hatten Parler immer wieder als Alternative zu Twitter oder Facebook beworben, die angeblich konservative Ansichten unterdrückten. Die Sprecherin des Weissen Hauses, Kayleigh McEnany, erklärte Ende Juni auf Twitter, sie habe sich ein Konto bei Parler eingerichtet, weil sie die Nase voll davon gehabt habe, dass Konservative auf diesen Plattformen «zensiert» würden.

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Kommentar Die sozialen Netzwerke haben mit Trump ihren einflussreichsten Nutzer von ihren Plattformen geworfen. Die von vielen bejubelte Entscheidung ist vor allem eines: Ein noch nie da gewesener Eingriff in die politische Debatte Die sozialen Netzwerke gehen gegen Trump so rigide vor wie nie zuvor. Auch wenn die Sperre folgerichtig erscheint, die Probleme von Facebook sind noch lange nicht gelöst.

Reto Stauffacher

Der Sturm auf das Capitol war kein isoliertes Ereignis. Viele Teilnehmer filmten live und streamten in Echtzeit auf Plattformen wie Twitch und Youtube Die Teilnehmer an dem Sturm auf das Capitol teilten ihre Taten in Echtzeit im Netz. Während Youtube und Twitch sich beeilten, nicht erlaubte Inhalte zu entfernen, verdiente manch ein Streamer mit seinen Videos gar Geld.

Philipp Gollmer

Die Wirtschaft distanziert sich vom Trumpismus – wenn auch spät Internetkonzerne, Banken, Verlage, Autohersteller und E-Commerce-Unternehmen: Immer mehr Firmen distanzieren sich von der Regierung Trump. Nach den Ausschreitungen in Washington kommen sie opportunistisch aus der Deckung.

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Weil Twitter und Facebook nicht alles erlauben, kommt jetzt ein neuer Spieler auf den Markt Immer rigoroser greifen Facebook und Twitter in Inhalte ein, die ihre Nutzer verbreiten. Davon profitiert Parler. Die Plattform wirbt mit Meinungsfreiheit und bekommt Zulauf – vor allem aus dem rechten Lager.

Jenni Thier

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